Wachstumschancengesetz

Die deutsche Wirtschaft steht vor der Herausfor­derung, sich in einem globalen Wettbewerbsum­feld zu behaupten und gleichzeitig nachhaltiges Wachstum zu fördern. Durch das Wachstums­chancengesetz, ein Gesetzentwurf des Bundes­finanzministeriums vom 17.7.2023, sollen die steuerlichen Rahmenbedingungen für Wachs­tum, Investitionen und Innovation verbessert werden.

Das Bundesfinanzministerium hat am 17.7.2023 den Gesetzentwurf zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness, das sog. Wachstumschancengesetz, veröffentlicht. Es enthält wie ein Jahressteuergesetz sehr viele bedeutsame Änderungen, von denen hier nur die wesentlichsten Maßnahmen aufgeführt werden:

1. Einkommensteuer

  • Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sollen ab dem Jahr 2024 bis zu einem Betrag von 1.000 € als steuerfrei behandelt werden. Sie bleiben auf Antrag ( z. B. durch Abgabe der Anlage V in der Einkommensteuererklärung ) steuerpflichtig, wenn die mit den Einnahmen im Zusammenhang stehenden Ausgaben höher sind.
  • Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dürfen den Gewinn nicht mindern, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 € nicht übersteigen. Dieser Betrag soll für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen, auf 50 € angehoben werden.
  • Bei den Regelungen zur Zinsschranke soll ab dem Jahr 2024 zum einen die bisherige Konzernbezogenheit aufgegeben und zum anderen die bisherige Freigrenze von 3 Mio. € in einen Freibetrag umgewandelt werden. Insbesondere der Wegfall der Standalone-Klausel und des Eigenkapital-Escapes führt zu einer erheblichen Verschärfung der Zinsschranke.
  • Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 soll eine sog. Zinshöhenschranke neu eingeführt werden. Danach wären Zinsaufwendungen grundsätzlich nicht abziehbar, wenn der Zinssatz über dem um zwei Prozentpunkte erhöhten Basiszinssatz liegt. Die neue Regelung soll nur bei Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen anzuwenden sein. Nicht erforderlich ist eine grenzüberschreitende Geschäftsbeziehung.
  • Der Schwellenwert für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter soll für Anschaffungen ab dem 1.1.2024 von 800 € auf 1.000 € angehoben werden. Für den alternativ mög- lichen Sammelposten soll die Wertobergrenze der Anschaffungskosten auf 5.000 € ( bisher: 1.000 € ) erhöht und die Auflösungsdauer von fünf Jahren auf drei Jahre verringert werden.
  • Die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen sollen ab dem Jahr 2024 von 28 € auf 30 € bzw. von 14 € auf 15 € angehoben werden.
  • Der Verlustrücktrag soll ab dem Jahr 2024 von zwei auf drei Jahre verlängert werden. Zudem sollen die Höchstbeträge von 10 Mio. € bzw. bei Zusammenveranlagung von 20 Mio. € dauerhaft beibehalten werden.
  • Ab dem Jahr 2028 soll die sog. Mindestgewinnbesteuerung mit erhöhten Sockelbeträgen von 10 Mio. € ( bisher: 1 Mio. € ) bzw. bei Zusammenveranlagung von 20 Mio. € ( bisher: 2 Mio. € ) gelten. Danach noch bestehende Verlustvorträge können nur bis zur Höhe von 60 % des verbleibenden Einkommens abgezogen werden. Für die Jahre 2024 bis 2027 soll die Mindestgewinnbesteuerung ganz ausgesetzt werden.
  • Die Freigrenze für die Besteuerung geldwerter Vor- teile bei Betriebsveranstaltungen soll ab dem Jahr 2024 von 110 € auf 150 € angehoben werden.
  • Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn der im Jahr erzielte Gesamt- gewinn nicht mehr als 600 € beträgt. Die Freigrenze soll ab dem Jahr 2024 auf 1.000 € steigen.
  • Die mögliche Thesaurierungsbesteuerung für Gesellschafter von Personengesellschaften soll für Gewinne nach dem 31.12.2023 reformiert werden. Dazu soll u. a. der begünstigungsfähige Gewinn um die gezahlte Gewerbesteuer und um die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer entnommen werden, erhöht werden.
  • Auf die Besteuerung der Dezember-Soforthilfe für die hohen Kosten von Erdgas, die erst mit dem Jahressteuergesetz 2022 eingeführt wurde, soll verzichtet werden.

2. Körperschaftsteuer

  • Die Option zur Körperschaftsbesteuerung soll für Personengesellschaften attraktiver werden. Künftig sollen daher alle Personengesellschaften und nicht nur Personenhandels- bzw. Partnerschaftsgesellschaften die Möglichkeit zur Option nutzen können.
  • Die unter dem Punkt „Einkommensteuer“ aufgeführten neuen Regelungen zum Verlustrücktrag und zum Verlustvortrag sollen auch für die Körperschaftsteuer gelten.

3. Gewerbesteuer

  • Bei der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen soll bereits ab dem Jahr 2023 die Unschädlichkeitsgrenze für Stromlieferungen aus Solaranlagen und dem Betrieb von Ladesäulen von 10 % auf 20 % angehoben werden.
  • Die unter dem Punkt „Einkommensteuer“ auf- geführten neuen Regelungen zum Verlustvortrag sollen auch für die Gewerbesteuer gelten. Ein Verlustrücktrag ist bei der Gewerbesteuer weiterhin nicht möglich.

4. Förderung von Investitionen in den Klimaschutz

  • Mit der Einführung einer Investitionsprämie soll die Transformation der Wirtschaft in Richtung von mehr Klimaschutz gefördert werden.
  • Der Anwendungsbereich des neuen Gesetzes ist begrenzt auf Steuerpflichtige, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit erzielen.
  • Gefördert werden soll die Anschaffung bzw. Herstellung von beweglichen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, die die Energieeffizienz des Unternehmens verbessern und in einem Einsparkonzept enthalten sind. Das Einsparkonzept ist von einem Energieberater oder einem eigenen Energiemanager zu erstellen.
  • Die Bemessungsgrundlage soll im Förderzeitraum (ab Verkündung des Gesetzes bis zum 31.12.2027) insgesamt maximal 200 Mio. € betragen; die Investitionsprämie beträgt 15 % davon.
  • Es sollen maximal zwei Anträge gestellt werden können; die Bemessungsgrundlage muss pro Antrag mindestens 50.000 € betragen.

5. Umsatzsteuer

  • Die Übertragung von Emissionszertifikaten soll ab dem Jahr 2024 unter die Vereinfachungsregelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers fallen.
  •  Es soll eine gesetzliche Regelung zur verpflichten- den Verwendung von elektronischen Rechnungen eingeführt werden. Die E-Rechnungspflicht soll durch (stufenweise) Änderungen ab dem 1.1.2025 umgesetzt werden und ist nur für inländische Umsätze zwischen im Inland ansässigen Unternehmern angedacht. Im Jahr 2025 sollen auch noch Papier- oder PDF-Rechnungen möglich sein. Eine „echte“ E-Rechnungspflicht wird es wohl erst zum 1.1.2026 geben. Ab dem 1.1.2028 wird dann eine E-Rechnungsstellung nach der CEN-Norm 16931 verpflichtend sein
  • Der Schwellenwert zur Befreiung von der Abgabe vierteljährlicher Umsatzsteuer-Voranmeldungen soll ab dem Jahr 2024 von 1.000 € auf 2.000 € erhöht werden.
  • Kleinunternehmer sollen ab dem Jahr 2024 von der Übermittlung von Umsatzsteuerjahreserklärungen befreit werden.

6. Abgabenordnung

  • Die Grenze für die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt vereinbarten Entgelten soll von 600.000 € auf 800.000 € angehoben werden.
  • Die Grenzen für die Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger sowie der Aufbewahrungspflicht bei Überschusseinkünften sollen ab dem 1.1.2024 angehoben werden. Die Schwellenwerte sollen bezüglich der Umsatzerlöse von 600.000 € auf 800.000 € und bezüglich des Jahresüberschusses von 60.000 € auf 80.000 € steigen. Die Grenze bei Überschusseinkünften soll von 500.000 € auf 600.000 € angehoben werden.
  • Aussetzungszinsen sollen für ab dem 1.1.2024 von der Vollziehung ausgesetzte Haftungsansprüche eingeführt werden.
  • Vorgesehen ist zudem, die Anzeigepflicht für Steuergestaltungen, die bisher nur für grenzüberschreitende Steuergestaltungen besteht, auf nationale Steuergestaltungen auszuweiten.

    7. Weitere Änderungen

    • Im Handelsgesetzbuch sollen die Schwellenwerte, ab denen eine Jahresabschlusserstellung erforderlich ist, ebenfalls von 600.000 € auf 800.000 € (Umsatzerlöse) bzw. von 60.000 € auf 80.000 € (Jahresüberschuss) erhöht werden.
    • Die steuerliche Forschungsförderung soll gestärkt werden. Bisher erfolgte diese nur in Bezug auf bestimmte Arbeitslöhne von im Forschungs- und Entwicklungsvorhaben beschäftigten Arbeitnehmern. Ab dem 1.1.2024 soll dies auch für in begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben genutzte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die für deren Durchführung erforderlich und unerlässlich sind, erfolgen. HINWEIS: Es bleibt abzuwarten, wann der Gesetz­entwurf von der Bundesregierung beschlossen und damit in das Gesetzgebungsverfahren ein­ gebracht wird. Eine für den 16.8.2023 geplante Abstimmung ist wegen Unstimmigkeiten in der Koalition gescheitert.