Europäische Union: rein und raus?

Derzeit sieht und hört man in den Medien viele Beiträge über Sinn, Zweck und Wert einer EU-Mitgliedschaft.

Der BREXIT – also der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union – ist zum 31.01.2020 wirksam geworden. Die Nachrichten über die politische, wirtschaftliche und nicht zuletzt gesellschaftliche Situation in England sind Legende. Gesellschaftlich befindet sich die Monarchie in einer Krise; König Charles III tut, was er kann, um die Monarchie zu festigen. Die Querschläge aus der eigenen Familie (z. B. Stichwort: Harry und Meghan!) lassen dieses Unterfangen jedoch nicht einfach erscheinen. Ob die „saftige Gehaltserhöhung für Prinz William“ (Rhein-Zeitung, 30.06.2023, S. 14) dazu hilfreich ist, sei dahingestellt. Politisch hat der neue Premierminister R. Sunak etwas Stabilität gebracht, doch sind die Schatten von Boris Johnson und Liz Truss noch sehr lang; hier darf nichts weiter schief gehen. Die wirtschaftliche Entwicklung und Versorgung mit Konsumgütern bleibt hinter dem übrigen Europa zurück (“Der Brexit ist ein wirtschaftliches Desaster“, www.dihk.de, 22.06.2023); das Pfund hat von 1,19 auf 1,12 EUR abgewertet (21.04.2023); das Land ist sehr getroffen von der Inflation (Gesamt-Index Mai 2023 9,7%; EU 7,1%). Die Zentralbank hat die Zinsen zuletzt auf 5% erhöht (EZB-Leitzins 4,0%).

Bei dieser Sachlage kann es nicht überraschen, dass in diesen Tagen folgende Notiz in der Presse erscheint: „Mehrheit der Briten will zurück in die EU“. Im Durchschnitt aktueller Umfragen haben sich 59% der Befragten für einen Wiedereintritt in die EU ausgesprochen. Sieben Jahre nach dem Austrittsreferendum am 23.06.2016 hat sich die Lage also völlig gedreht. Damals hatten 52% für den Brexit gestimmt; 48% waren dagegen. Zwar ist ein erneutes Referendum in dieser Frage nicht in Sicht, jedoch könnte man politisch die Situation nutzen, um tatsächlich in einem Zeitraum von vielleicht fünf Jahren wieder Mitglied der Europäischen Union zu werden.

Geopolitisch wäre dies ein sehr großer Fortschritt. Es gilt im Westen Europas und in der westlichen Welt allgemein einen starken Block gegen Russland und auch die aufstrebenden Mächte in Asien (China und Indien) aufzubauen. Die EU muss die Reihen geschlossen halten und darf sich insbesondere im mittleren Osteuropa nicht von Partikular-Interessen zerreiben lassen. Rechtspolitisch ist hier vorrangig zu nennen der erkennbare Abbau der Demokratie in Polen; ferner ist der unsägliche Schmusekurs des Orban-Ungarn mit Russland negativ zu vermerken. Hier ist klare Kante der übrigen Mitgliedstatten gefragt.

Gleichzeitig stehen Beitrittskandidaten vor der europäischen Tür, zum Beispiel Moldawien, Ukraine, immer noch die Türkei, bei denen genaueres Hinschauen offenbar angezeigt ist. Auch auf dem Balkan ist höchste Vorsicht geboten. Die europäische Union kann sich nicht leisten, durch verfrühte Aufnahme von unqualifizierten Staaten deren erkennbare Probleme und gegenseitigen Streit sowie deren kulturelle Unterschiede in die Gemeinschaft zu importieren. Dies wird absehbar die Gemeinschaft in allen Bereichen schwächen!

Der Ukraine-Krieg und die dort eingeleiteten Gegenmaßnahmen haben die Union enger zusammengeführt, besonders erkennbar an den leisen Tönen aus Süd- und Südost-Europa. Dieses Momentum darf nicht aufgegeben werden. Eine zahlenmäßige Erweiterung der Mitgliedstaaten wird nicht zur weiteren Stärkung der EU führen! Zuvor müssen die Entscheidungs- und Abstimmungsregularien geändert werden. Jedenfalls dürfen Singular-Interessen auf Dauer kein Veto-Recht in der EU haben.

Wer diese Entwicklung nicht gutheißt oder seine eigenen (monetären) Interessen dauerhaft über die Gemeinschaftsinteressen stellt, dem muss man auch den Weg aus der EU heraus aktiv zeigen. Andere könnte man mit entsprechenden politischen Argumenten wieder hereinbitten, um den mitteleuropäischen Kern der Gemeinschaft zu stärken.