Die Corona-Krise ist inzwischen auch in der Pflegebranche angekommen und breitet sich dort zunehmend aus. Aktuelle Beispiele sind: Tagespflegen wurden geschlossen und einzelne Bundesländer verhängten generelle Aufnahmestopps. Nach einer stichprobenartigen Umfrage bei unseren Mandanten mit insgesamt z.B. über 12.000 Pflegebetten machen sich die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise bereits in vielen Fällen bemerkbar. Nachfolgend geben wir Ihnen einen aktuellen Überblick über die durch die Bundesregierung initiierten Rettungspakete für Pflegeeinrichtungen.
1. WIE SOLL KONKRET GEHOLFEN WERDEN?
Der Bundestag hat am 25. März 2020 ein großes Gesetzespaket der Bundesregierung mit umfangreichen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise verabschiedet. Hieraus ist nachfolgend das sog. COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz, welches bereits am 28. März 2020 in Kraft getreten ist, von Bedeutung.
Kernelement für die Pflegeeinrichtungen ist die Kostenerstattung in § 150 SGB XI. Die durch die Corona-Krise bedingten finanziellen Mehraufwendungen und Mindererträge werden auf Antrag von der Pflegeversicherung erstattet. Neben diesem Kernelement enthält das Krankenhausentlastungsgesetz weitere Regelungen für Pflegeeinrichtungen, die für die Aufrechterhaltung der Versorgung notwendig sind bzw. diese erleichtern sollen:
- Es wird auf eine umfassende persönliche Untersuchung bei der Einstufung der Pflegebedürftigen bis zum 30. September 2020 verzichtet. Die Entscheidungen werden aufgrund der vorliegenden Aktenlage kombiniert mit strukturierten Interviews durchgeführt.
- Auf die Durchführung von Wiederholungsprüfungen wird bis zum 30. September 2020 verzichtet.
- Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sollen auch ohne Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen Kurzzeitpflege erbringen dürfen.
- Die Voraussetzung eines Beratungsgesprächs nach § 37 Abs. 3 SGB XI für Bezieher von Pflegegeld wird ausgesetzt.
- Zur Aufrechterhaltung der Versorgung kann auf gesetzliche oder vertragliche Vorgaben oder Rahmenbedingungen bei der Personalausstattung verzichtet werden.
- Pflegekassen erhalten erweiterte Spielräume zur Vermeidung von pflegerischen Versorgungslücken in der häuslichen Versorgung.
2. FÜR WEN GILT DIESE UNTERSTÜTZUNG?
Die Erstattungen der Mehraufwendungen und Mindererträge betreffen alle Pflegeeinrichtungen und ambulanten Betreuungsdienste. Dazu gehören auch Leistungsbestandteile wie:
- Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45 a SGB XI
- Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI
- individuelle Schulungen in der Häufigkeit nach § 45 SGB XI
- in stationären Einrichtungen die zusätzlichen Betreuungskräfte nach § 43 b SGB XI sowie Unterkunft und Verpflegung
Der Hospizbereich ist derzeit z.B. nicht einbezogen. Hier ist die weitere Entwicklung aber u. E. abzuwarten.
3. WELCHE KONKRETEN MEHRAUFWENDUNGEN BZW. MINDERERTRÄGE WERDEN ÜBERNOMMEN?
- Das Bundesgesundheitsministerium schätzt den Mehraufwand im Sachmittelbereich im Pflegebereich auf 280 Million Euro für den Zeitraum von März 2020 bis September 2020 ein. Dieses entspricht einem monatlichen Wert von 10 Euro je pflegebedürftiger Person. Für den Personalaufwandsbereich liegt keine Kostenschätzung vor.
- Zum Schutz der Pflegekräfte und der zu pflegenden Personen sollen die Aufwendungen für Schutzausrüstung, Atemmasken, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmaterialien vollständig übernommen werden.
- Zusätzliche Personalaufwendungen, z. B.: vorübergehend eingestelltes Fremdpersonal, zusätzliche Vergütungen durch Überstunden, Personalaufstockungen, welche über die vereinbarten Personalschlüssel hinausgehen
- Mindererträge, welche sich unter anderem durch Aufnahmestopps oder Schließung von z. B. Tagespflegen ergeben. Es sollen sowohl die entfallenden Leistungsbeträge der Pflegeversicherung als auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen aus Pflege sowie Unterkunft und Verpflegung erstattet werden.
- Im Nachgang soll geprüft werden, ob Mittel doppelt refinanziert worden sind. Diese wären rückerstattungspflichtig.
Zur Aufnahme der Investitionskosten war der Gesetzgeber bislang nicht bereit. Hier sollen auf Landesebene Regelungen gefunden werden, so dass auch hier die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt.
4. WIE SIND MEHRAUFWENDUNGEN BZW. MINDERERTRÄGE IN DER PRAXIS NACHZUWEISEN?
Als Vergleichsmonat zur Ableitung der Höhe der zu erstattenden Mehraufwendungen bzw. Mindererträge wird der Januar 2020 herangezogen.
Zunächst sind die Mehraufwendungen und Mindererträge für jede Einrichtung zu bestimmen. Diese sind systematisch und eindeutig getrennt von den üblichen Aufwendungen und Erträgen in der Buchhaltung zu erfassen. Hierfür ist ggf. das Anlegen von speziellen Konten und/oder Kostenstellen ratsam. Bei Trägern, welche Pflegeleistungen in mehreren Einrichtungen und ggf. sogar in unterschiedlichen Leistungsspektren, z. B. vollstationäre Pflege und Tagespflege, anbieten, ist die korrekte Verrechnung der Aufwendungen notwendig. Wird bei einer behördlichen Anordnung zur Schließung einer Tagespflege das dortige Personal zu gleichen Konditionen in einer stationären Einrichtung des gleichen Betreibers eingesetzt, führt dies dort zu keiner Aufwandssteigerung. Gleichwohl ist ein Antrag auf Erstattung der Mindererträge für die Tagespflege zu stellen.
Tipp: Also bedarf es hier im Rechnungswesen der Pflegeeinrichtung einer korrekten Abgrenzung der Aufwendungen und Erträge. Beispielsweise sollten nachträgliche Höherstufungen von Pflegegraden für den Januar 2020 in der Buchführung dem Vergleichsmonat Januar 2020 zugeordnet werden. Entstandene Mehraufwendungen bzw. Mindererträge der Monate März 2020 bis September 2020 sind erstattungsfähig.
Im Bereich des Personalaufwands sollte bei der Erfassung von Abwesenheitszeiten dokumentiert werden, ob diese durch die Corona-Krise verursacht wurden. Dieses kann sowohl durch eine Erkrankung an COVID-19, eine behördlich vorgeschriebene oder eine freiwillige Isolation als auch aufgrund einer notwendigen Kinderbetreuung geschehen sein.
5. WIE LÄUFT DAS ANTRAGSVERFAHREN AB?
Der Antrag kann ungeachtet der Tatsache gestellt werden, ob beispielsweise Kurzarbeitergeld oder ein Ausgleich aus dem Infektionsschutzgesetz beantragt wurde. In einem nachgelagerten Verfahren erfolgt eine Spitzabrechnung. Dies kann beispielsweise auch im Rahmen einer Vergütungsverhandlung erfolgen. Soweit anderweitige Finanzierungsmittel eingesetzt worden sind, ist dieses der zuständigen Pflegekasse unverzüglich anzuzeigen.
Bislang existiert noch kein abgestimmtes Antragsschema. Wir gehen davon aus, dass noch in dieser Woche weitere Informationen über die Antragstellung und eventuell bereits die hierfür notwendigen Formulare veröffentlicht werden.
Aktuell ist noch nicht abschließend geklärt, wie das Verhältnis des Erstattungsanspruchs zu den Regelungen der Kurzarbeit interpretiert werden soll.
Die Erstattung erfolgt grundsätzlich 14 Tage nach Beantragung. Ein weitergehender Anspruch bezogen auf die Monate März 2020 bis September 2020 kann bis zum Jahresende 2020 nachgemeldet werden.
Dieser Beitrag ist zu erst bei unseren Kollegen von Lüders Warneboldt erschienen. Weitere Informationen und Regelmäßige Updates finden Sie auch auf: https://lueders-warneboldt.de/