Die Corona-Krise und die bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlen geben Veranlassung, sich mit dem Zustand der Politik im Allgemeinen, aber auch mit der Situation der Europäischen Union zu beschäftigen. Die allgemeine Kritik an der Union und insbesondere an der Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen ist vielfältig. Die Frage ist, ob in absehbarer Zeit zumindest einige der wesentlichen Baustellen abgeschlossen werden können.
Zum Jahreswechsel wurde der BREXIT in letzter Sekunde auf den Weg gebracht. Hier wird man sehen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen dies haben wird und wer eventuell Gewinner oder Verlierer dieses politischen Rückschrittes sein wird.
Deutlich mehr noch als dieser Vorgang belastet derzeit die schwierige Entwicklung in der Corona-Krise, angefangen von der unsäglichen Diskussion über Reisebeschränkungen und eventuelle rechtliche Schritte gegen diese Maßnahmen bis hin zu dem nennenswerten Versagen bei der Beschaffung und Versorgung mit Impfstoff. Nachdem der vielversprechendste Impfstoff in Deutschland entwickelt wurde, ist es vielen Bürgern unverständlich, warum es nicht nur den Anschein hat, dass Europa und Deutschland bei der Verteilung des produzierten Medikaments zu kurz kommen. Auch hat hier möglicherweise Großbritannien mit dem AstraZeneca-Produkt dem Rest der EU ein Schnäppchen geschlagen.
Wirtschaftlich ebenso wichtig wie die Impfstoffversorgung sind die finanziellen Hilfen zur Bewältigung der Corona-Krise. Der Aufbaufonds der EU ist mit 750 Milliarden prall gefüllt, jedoch kaum ein Land hat bisher konkrete Verwendungspläne vorgelegt. Dies liegt einmal an der Priorisierung der Projekte und Investitionen, hat aber auch politische Gründe. Die Mitgliedsstaaten wollen sich eigentlich nicht vorschreiben lassen, wie sie die Mittel aus Brüssel verwenden.
Völlig unabhängig davon ist die Finanzierung des Aufbaufonds nicht gesichert. Die EU braucht zur Gegenfinanzierung nennenswerte Eigenmittel, die von den nationalen Parlamenten gebilligt werden müssen, was bisher nur in wenigen Staaten der Fall ist. Diese Debatte ist verbunden mit vielen alten und bekannten Steuerdiskussionen, zum Beispiel zur Plastik-, Digital- und Finanztransaktionssteuer. Schon früher hat es zu diesen Themen keine Einigkeit gegeben und es steht zu befürchten, dass dies auch diesmal nicht der Fall ist.
Neben den Versorgungs- und Finanzthemen hat die EU bedeutende außenpolitische Hürden vor sich. Das Verhältnis zu Osteuropa und insbesondere Russland verschlechtert sich zunehmend. Gerade Deutschland hat die Last der Sanktionspolitik zu tragen und steht hierbei im Vordergrund russischer Desinformationskampagnen. Andererseits ist die erste Euphorie über den Wahlsieg von Biden in den USA vom Tagesgeschäft überholt worden; auch dort findet die EU keine Partnerschaft zum Null-Tarif.
Vorstehend sind nur einige wichtige Themen erwähnt. Wenn man kein weiter zunehmendes Desinteresse an einem vereinten Europa hinnehmen will, so ist alsbald dringend Abhilfe und Erfolg geboten.