Der Bundesfinanzhof hat dem Europäischen Gerichtshof am 11.12.2019 mehrere Fragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft vorgelegt. Es soll u. a. geklärt werden, inwieweit die deutschen Regelungen zur Bestimmung nur eines Steuerpflichtigen (des Organträgers) anstelle einer Mehrwertsteuergruppe als Steuerpflichtigen mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Ferner wird gefragt, ob sich ein Organträger auf die unionsrechtliche Regelung der Gesamtschuldnerschaft berufen kann und ob die Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung streng oder großzügig auszulegen sind.
Sollte der Europäische Gerichtshof zu der Entscheidung gelangen, dass die deutschen Organschaftsregelungen und die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sind, könnte dies zu erheblichen Rückforderungsansprüchen von Unternehmen gegen die Finanzverwaltung führen. Denn sämtliche Umsatzsteuererklärungen von Organträgern wären dann falsch und korrekturbedürftig, sofern noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Dies würde bei den Organträgern zu Steuererstattungen (einschließlich Verzinsung) führen. Ob die Finanzverwaltung die erstatteten Umsatzsteuern bei den Organgesellschaften wieder einfordern könnte und ob hierbei dann eine Verzinsung zu erfolgen hätte, ist derzeit noch ungeklärt.
Seit Längerem gibt es Bestrebungen, die aktuellen deutschen Organschaftsregelungen zu reformieren. In Anlehnung an europäische Richtlinien könnte eine optionale Gruppenbesteuerung eingeführt werden, die die momentan bestehenden Auslegungsprobleme beseitigen würde
Hinweis: Umsatzsteuerbescheide von Organträgern sollten durch Einspruch und Antrag auf Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs offengehalten werden.