Das Konjunkturpaket als Soforthilfe in der Coronakrise ist beschlossene Sache und soll die Wirtschaft ankurbeln. Bei Unternehmern wirft jedoch die anstehende Umsatzsteuersenkung auch viele Fragen auf. Ein erster Blick auf die bei der Umsetzung betroffenen Bereiche:
Um die Konjunktur zu beleben und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern hat die Bundesregierung entschieden, den Umsatzsteuersatz auf Lieferungen und Leistungen, die nach dem 30. Juni und vor Ablauf des 31. Dezembers 2020 erbracht werden, abzusenken. So soll der Regelsteuersatz in diesem Änderungszeitraum 16 statt bisher 19 Prozent betragen, der verminderte Steuersatz fünf statt sieben Prozent. Auf die Unternehmer kommt mit dieser Umstellung ein erheblicher Arbeitsaufwand zu. So müssen beispielsweise Kassensysteme, Buchhaltungssoftware und Warenwirtschaftssysteme entsprechend angepasst und zahlreiche Sonderfälle bedacht werden. Unternehmer fürchten, dass vor allem durch die zeitliche Begrenzung der Änderungen rechtliche Probleme auf sie zukommen könnten und der Umstellungsaufwand bezogen auf die kurze Anwendungszeit der gesenkten Steuersätze nicht verhältnismäßig sein könnte.
Grundsätzlich müssen nämlich nicht nur einfache Rechnungen betrachtet, sondern auch weitere Fragen ins Auge gefasst werden, auf die es derzeit noch keine konkreten Antworten gibt: Wie verhält es sich mit Teilleistungen, Dauerverträgen (Miete, Pacht, Leasing, Wartungsverträge), Vorausrechnungen oder Anzahlungen? Welche Regelungen gelten für den Verkauf an Privatpersonen? Bin ich verpflichtet, die reduzierte Mehrwertsteuer an den Endkunden weiterzugeben oder erhöht sich dadurch meine Marge? Was ist bei Gutschriften und Reklamationen zu beachten? Hier sollen weitere Informationen des Finanzministeriums bald Klarheit schaffen. Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) wird für Ende des Monats erwartet.
Allgemein gelten zunächst folgende Punkte:
- Der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der Bestellung oder des Angebotes, ebenso ein vereinbarter Leistungs- oder Liefertermin, sind für den Steuersatz unerheblich. Maßgeblich ist allein das tatsächliche Geschehen, also der tatsächliche Zeitpunkt der Leistungserbringung.
- Auch das Rechnungsdatum spielt keine Rolle. Sofern es nicht tatsächlich mit dem Liefer- oder Leistungsdatum übereinstimmt, gilt grundsätzlich der Zeitpunkt der Leistungserbringung für die Wahl des Steuersatzes. Das Ausweisen eines falschen Steuersatzes kann den Vorsteuerabzug gefährden und führt dazu, dass etwa zu viel ausgewiesene Umsatzsteuer geschuldet wird.
- Für die Soll-Besteuerung gilt: Die Umsatzsteuer entsteht zum Zeitpunkt der Leistungserbringung. Liegt dieser Zeitpunkt im o.g. Zeitraum, sind die abgesenkten Steuersätze anzuwenden. Werden die Lieferungen/Leistungen vor dem 1. Juli oder nach dem 31. Dezember erbracht, gelten die „alten“ Steuersätze.
- Für die Ist-Besteuerung gilt: Die Umsatzsteuer entsteht mit dem Erhalt des Entgelts für eine erbrachte Lieferung oder Leistung. Liegt dieser Zeitpunkt im Änderungszeitraum, gelten die abgesenkten Steuersätze. Außerhalb dieses Zeitraums gelangen die herkömmlichen Steuersätze zur Anwendung.
Tipp: Wer von den abgesenkten Steuersätzen profitieren will, etwa weil kein Recht zum Vorsteuerabzug besteht, sollte prüfen, ob möglicherweise geplante Lieferungen oder Leistungen in den Änderungszeitraum verschoben werden können. Langfristige oder bereits laufende Projekte könnten gegebenenfalls von den neuen Steuersätzen profitieren, wenn sie in diesem Zeitraum abgeschlossen und abgerechnet werden. Insgesamt ist allen Unternehmern zu raten, Geschäftsvorgänge dahingehend zu überprüfen, ob eine terminliche Verschiebung sinnvoll ist oder nicht. Für den Onlinehandel kann zusätzlich eine Optierung zum deutschen Steuerrecht gewinnbringend sein, da sich durch die Absenkung das Steuersatzgefälle zu vielen EU-Staaten vergrößern wird.
Es ist zu erwarten, dass das BMF-Schreiben derzeit noch fragliche Punkte präzisieren und den Unternehmern einen Leitfaden zum Umgang mit der Umsatzsteuersenkung geben wird. Unternehmer sollten sich jedenfalls auf eine Zeit der Unsicherheit einstellen und gemeinsam mit ihrem Berater einen rechtssicheren Weg durch die kommenden sechs Monate finden. Vor allem in komplizierten Konstellationen kann der Berater die bestmöglichen Optionen aufzeigen.