Ein wichtiger Baustein zum weiteren Ausbau der Kapitalmarktunion ist die vereinfachte Besteuerung von Dividenden über die Grenze.
Bisher scheuen insbesondere private Investoren den Kauf ausländischer Aktien, weil die Dividendenbesteuerung entweder nicht klar geregelt oder mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Nicht selten führt der Einbehalt der Kapitalertragsteuer zu einer Doppelbesteuerung, weil der Dividendenempfänger den Aufwand eines Antrages an die ausländische Finanzbehörde zur Rückerstattung scheut.
Die Durchführung der Quellenbesteuerung in Europa ist nicht harmonisiert. Die Europäische Kommission schätzt die Kosten des derzeitigen ineffizienten Besteuerungsprozesses auf rund 8,4 Mrd. EUR jährlich, wovon rund 6 Mrd. EUR auf nicht erstattete WHT entfallen. Daher ist unmittelbar einsichtig, dass dieser Besteuerungsprozess eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem effizienten Kapitalmarkt in Europa darstellt.
Um diesem Problem entgegenzuwirken hat die EU bereits 2017 einen Code of Conduct für die Quellenbesteuerung herausgegeben; Maßnahmen daraufhin sind jedoch bisher kaum erfolgt.
Accountancy Europe hat in einem Papier vom Mai 2019 verschiedene Vorschläge zu einer Verbesserung der Situation unterbreitet. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Punkte:
- 1. Es soll die Möglichkeit eröffnet werden, vorab die Quellensteuerbefreiung im Land der Zahlung zu erreichen.
- 2. Die Steuerverwaltung muss erleichtert werden, indem insbesondere digitale Tools eingesetzt werden, die auf den Steuerzahler und Investor zugeschnitten sind.
Die Steuerbefreiung an der Quelle (relief at source) scheiterte bisher an den hohen Hürden der zu erfassenden Daten der ausländischen Steuerpflichtigen.
Verwaltungstechnisch ist zu berücksichtigen, dass die Steuerbehörden im Zahlungsland von der Anzahl der Anträge überfordert sind. Daher gibt es den Vorschlag der sog. „Bulk Claims“, bei dem bestimmte Institute oder Organisationen im Auftrag vieler Investoren oder Kunden die Anträge geschlossen stellen.
Solche Sammelanträge sind nur möglich, wenn über die begünstigten Antragsteller alle relevanten Daten bekannt sind. Hier stößt man jedoch an Grenzen des Datenschutzes. Eine Möglichkeit, um die Sammelanträge auf den Weg zu bringen, könnte die Einschaltung von Treuhändern sein, die die notwendigen Daten der persönlichen Steuerpflicht verwalten, also insbesondere auch die Residenzpflicht.
Sofern Sammelanträge nicht realistisch umsetzbar sind, bleibt es dabei, dass die individuellen Antragsprozesse mit digitaler Unterstützung für den Investor und Steuerpflichtigen erheblich erleichtert werden können.
Zur Vertiefung des Themas wird auf die Veröffentlichung von Accountancy Europe „Simplifying withholding tax procedures“ verwiesen.